Seit einigen Wochen fahre ich mit einem nagelneuen Golf durch die Gegend. Schönes, solides Auto – mit viel moderner Technik drin. Zum Beispiel einem Bordcomputer mit großem Touchscreen, der natürlich auch ein Navigationssystem integriert hat und eine Freisprecheinrichtung. Es handelt sich dabei quasi um Serienausstattung, auch wenn es ein Sondermodell ist. Aber man kriegt das alles so zum Normalpreis. Der auch erst drei Jahre alte Polo meiner Mutter hat nichts davon, wirklich gar nichts.
Seit einigen Wochen fahre ich mit einem nagelneuen Golf durch die Gegend. Schönes, solides Auto – mit viel moderner Technik drin. Zum Beispiel einem Bordcomputer mit großem Touchscreen, der natürlich auch ein Navigationssystem integriert hat und eine Freisprecheinrichtung. Es handelt sich dabei quasi um Serienausstattung, auch wenn es ein Sondermodell ist. Aber man kriegt das alles so zum Normalpreis. Der auch erst drei Jahre alte Polo meiner Mutter hat nichts davon, wirklich gar nichts.
Denn Freisprecheinrichtungen und Navigationssysteme sind keine Vorschrift, das bauen die Hersteller da freiwillig und vor allem als kostenpflichtiges Upgrade ein.
Anschnallgurte sind hingegen Pflicht, die muss seit Jahrzehnten jedes neue Modell ab Werk haben.
Auch der E-Call ist Pflicht. Dabei wird das Fahrzeug mit einem GPS-Empfänger und einer elektronischen SIM-Karte ausgestattet und kann so bei einem Unfall selbständig Rettungskräfte alarmieren.
Ebenfalls seit einigen Jahren Pflicht: die integrierte ständige Reifendruckkontrolle.
Diese drei Sicherheitstechniken haben natürlich irgendwo ihre Berechtigigung. Sie alle können unter Umständen Menschenleben retten. Natürlich haben sie alle drei auch ihre Nachteile und Nebenwirkungen:
- So gibt es Studien, die angeschnallten Fahrzeugführern eine Tendenz zu riskanterem Fahren nachweisen, was die Unfallwahrscheinlichkeit erhöht.
- Der E-Call kann theoretisch auch von Geheimdiensten oder anderen Kriminellen dazu missbraucht werden, Bewegungsprofile zu erstellen.
- Und ob die Reifendruckkontrolle wirklich sicherheitsrelevant ist oder einfach nur viel Geld kostet, hängt wohl vor allem von der jeweiligen Fahrweise ab. Im normalen Stadtverkehr wird eher keiner tödlich verunglücken, weil sein Reifendruck nicht stimmt.
Aber was solls, wenn es nur ein einziges Menschenleben rettet, sind all diese Methoden doch eigentlich gerechtfertigt, oder?
Ich würde diese Frage mit einem klaren jein beantworten.
Zum Beispiel finde ich die Anschnallpflicht überflüssig, weil ich durchaus in der Lage bin, freiwillig angeschnallt zu fahren und außer mir selbst niemanden gefährde, wenn ich es dann doch nicht mache. Und beim Thema E-Call hat mir viel zu wenig Debatte über die damit verbundenen Gefahren durch damit möglich werdende eine Massenüberwachung stattgefunden.
Aber egal, ich finde mich damit ab, dass es das alles gibt und weiß sicher, dass das Menschenleben schützen kann – der Deal ist damit im Großen und Ganzen erstmal okay für mich.
Was mich aber an diesen drei irgendwann mal verpflichtend gewordenen Sicherheitsmerkmalen wirklich stört, ist ihre völlig willkürliche Auswahl, die offensichtlich eher nichts damit zu tun hat, dass irgendwer mal geguckt hat, was eigentlich die größten Risiken im Autoverkehr sind und was man dagegen tun könnte.
Das habe ich in epischer Breite jetzt zwar auch nie getan und auch nicht vor. Aber wenn man mal fünf Minuten in Ruhe drüber nachdenkt, kommt man von selbst drauf, dass statt auf den bescheuerten Reifendruck oder einem E-Call, der ja auch erst dann tätig wird, wenn es sowieso zu spät ist, folgende Prioritäten eigentlich hätten gesetzt werden müssen:
- Ausnahmslos jeder Unfall entsteht, weil man zu schnell unterwegs ist. Denn ein stehendes Auto baut keinen Unfall. Zwar liegt das nicht immer daran, dass sich nicht an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit gehalten wird, sondern manchmal ist man auch einfach nur zu schnell unterwegs in Bezug zu den herrschenden Wetterverhältnissen oder der Verkehrslage. Aber oft wird eben auch mit überhöhter Geschwindigkeit gerast und ein Unfall gebaut. Das ist so, jeder weiß das.
- Das Handy am Steuer ist eine der größten Gefahren für alle am Straßenverkehr Beteiligten geworden. Dabei mittlerweile weniger das Telefonieren, mehr noch das Lesen und Schreiben von Nachrichten. Ja, Leute tun sowas ständig. Man sieht es jeden Tag. Und es ist längst eine der großen Ursachen für Unfälle. Bei nur 30(!)km/h legen wir in den 3 Sekunden (solange dauert ein durchschnittlicher Blick aufs Handy) 25 Meter zurück. Bei 50 km/h über 40 Meter. Im Blindflug. Klar, dass das jeden Tag zu Unfällen führt.
Jeder kennt diese beiden Unfallursachen. Letztere wurden unlängst sogar bei einem bundesweiten Aktionstag durch nicht weniger als 11.000 Polizisten zwecks sensibilisierung ganz besonders kontrolliert. Und gegen überhöhte Geschwindigkeiten wird ja noch viel mehr getan. Da sind ständig bundesweit tausende Blitzer im Einsatz und ein ganzer Schilderwald an Hinweisen, wie schnell man hier und da höchstens fahren darf.
Es wird also massiver Aufwand betrieben, weil man sich offensichtlich dieser Risiken bewusst ist. In diesem Bereich wird auch sehr viel mehr getan, als beispielsweise auf die Notwendigkeit des Anschnallens hinzuweisen und Warnungen, sich gefälligst um seinen Reifendruck zu kümmern liest man fast nie mal irgendwo.
Das Traurige daran: Technisch sind sowohl die völlig verrückte Handydaddelei am Steuer, als auch das Thema zu schnelles Fahren längst gelöst:
- Abstandswarner und Spurassistenten warnen, wenn man zu dicht auffährt oder die eigene Spur verlässt.
- Integrierte Navigationssysteme warnen, wenn man die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschreitet.
- Die Spracheingabe erlaubt das Bedienen des Navigationssystems ohne Ablenkung am Steuer.
- Tempomaten helfen dabei, das Fahrzeug automatisch auf (und damit unter) einer bestimmten Geschwindkeitkeit zu halten.
- Freisprecheinrichtungen erlauben das freihändige und nahezu ablenkungsfreie telefonieren am Steuer.
- Systeme wie Android-Auto lesen empfangene Nachrichten vor, die per Spracheingabe auch direkt beantwortet werden können.
- Müdigkeitssensoren stellen fest, ob wir nicht vielleicht mal eine kurze Pause machen sollten, statt mit 200 über die Autobahn zu brettern.
Jeder Autohersteller bietet all das längst an. Dummerweise verfügen aber trotzdem die meisten Autos nicht über all diese Fähigkeiten und nicht wenige auch über keine einzige davon. Denn all diese Dinge lassen sich viele Autohersteller nach wie vor ziemlich gut als Extras und Sonderausstattung bezahlen. Als wären sie Luxus und nicht etwa Technologien, die Menschenleben retten.
Und an der Stelle drängt sich die Frage auf, warum also E-Call und Reifendrucksensoren längst Vorschrift sind, brauchbare digitale Assistenten in Autos, die uns auf ganz ungezwungene Art davon abbringen, uns dumm und unverantwortlich zu verhalten, jedoch nicht?
Die Prioritäten sind hier völlig willkürlich und auf jeden Fall stand da nie im Mittelpunkt, was wirklich die Ursache für die meisten Unfälle ist und wie man sie verhindern kann.
Stattdessen will der Gesetzgeber offenbar den Herstellern lieber nicht ihre satten Einnahmen verhageln, in dem man ihre tollen Extras einfach zur Vorschrift macht und sie anschließend eben nichts Besonderes mehr sind, sondern Technik für jeden. Der Kapitalist in mir versteht das sogar verdammt gut.
Wenn aber gleichzeitig Albernheiten wie eine Reifendruckkontrolle Vorschrift werden, sehen alle Argumente gegen serienmäßige Navigationssystems mit Geschwindigkeitswarnung nicht besonders schlüssig aus. Auch die inzwischen zur Pflicht gewordenen Warnwesten, die wir uns ja alle selber kaufen musste, werden mit Sicherheit nie auch nur Ansatzweise so viele Leben retten können, wie es eine Herstellerpflicht zum Einbau einer vernünftigen Freisprecheinrichtung täte.
Und auf viele Millionen Euro teure „Aktionstage“ mit umstrittenem Nutzen, wie den in der vergangenen Woche, könnte man auch verzichten, wenn geile Technik unverantwortliches aber beliebtes Handeln einfach überflüssig macht.