Ich hasse das „Dosenpfand“. Ich hasse schon seinen euphemistischen Namen. Wusstest Du, dass Jürgen Trittin, der es seinerzeit durchgesetzt hatte, in seiner Freizeit gelegentlich als DJ auftritt und sich „DJ Dosenpfand“ nennt?
Der Begriff „Dosenpfand“ ist mit voller Absicht geprägt worden. Und mit Erfolg: Als es eingeführt wurde, war mir und vielen Anderen gar nicht klar, dass es eben nicht nur Dosen, sondern auch Verpackungen aus Glas und Plastik treffen würde. Es ist das erste Mal, dass ich mich bewusst als Opfer irreführender Propaganda gefühlt habe.
Getränkedosen kosteten also 2003 auf einmal 25 Cent, 1,5-Liter-Plastikflaschen sogar 50 Cent. Letzteres hat man schnell wieder korrigiert, war wohl doch ein bisschen heftig. Anfangs nahm übrigens jeder Laden auch nur den Müll zurück, den er auch ausgegeben hat. Wie kundenfreundlich!
Die Regelung, dass jeder Laden nur das annehmen muss, was er auch wirklich verkauft hat, brachte dem Handel übrigens 450 Millionen Euro Gewinn durch diesen sogenannten „Pfandschlupf“, also das anderweitige Entsorgen von bepfandeten Verpackungen. Weil den Leuten diese Praxis natürlich viel zu blöde war.
Meine Oma, will übrigens partout bis heute nicht glauben, dass „mittlerweile“, beziehungsweise seit nunmehr 15 Jahren, wirklich jeder Laden alles annehmen muss und die einzige Ausnahme noch ist, dass wenn er gar keine Dosen verkauft, auch keine annehmen muss. Die sammelt den bepfandeten Müll also auch noch fein säublich nach Aldi und Rewe getrennt. Jedes Mal, wenn ich das sehe, werde ich richtig sauer – nicht auf meine Oma, sondern auf die Urheber dieses Schwachsinns.
Das beschissene Dosenpfand hat so dermaßen viele Aspekte, über die ich mich aufregen kann. Die Unsinnigkeit seiner Einführung ist nur einer davon. Denn die Idee entstand damals in den 1990er Jahren und wurde von den CDU-Ministern Töpfer und Merkel – ja, die Merkel – in eine Verordnung gegossen, auf deren Grundlage „DJ Dosenpfand“ später dann die Umsetzung organisierte.
Der Anlass war nicht, dass man Plastik recyceln oder den Müll in der Landschaft reduzieren wollte, wie heute gerne geschichtsklitternd behauptet wird. Beides profitiert meiner Meinung nach auch kein Bisschen von diesem albernen Dosenpfand.
Der Grund für die Einführung war die Tatsache, dass der Mehrweganteil bei Getränkeverpackungen unter 72% gesunken war. Das fand die Politik offenbar falsch und korrigierenswert. Warum eigentlich, erschließt sich mir bis heute nicht, denn ob recycelte Einwegflaschen aus Plastik wirklich eine schlechtere Umweltbilanz haben, als Mehrweg-Plastikflashen, die aufwendig durch die Republik kutschiert, gereinigt ud wieder zurück zur Abfüllung transportiert werden müssen, nach relativ wenigen Durchläufen aber trotzdem Müll sind, können wir eigentlich ausschließen.
Nun kann man natürlich die Auffassung vertreten, dass wenn Müll bepfandet wäre, er sicherlich weit weniger häufig achtlos in die Landschaft geworfen werden würde. Das ist sicher so. Aber dann drängen sich ja sofort zwei Fragen auf:
- Warum bepfanden wir dann nicht jede Milchtüte, jede McDonalds-Verpackung, jeden Joghurtbecher, jede Konservendose und jeden Schuhkarton? und
- Wie fair ist es eigentlich, mit so einem Pfand ausgerechnet die große Mehrheit der Leute zu bestrafen, die ihren Müll nunmal in ihrem ganzen Leben vernünftig entsorgt und nicht in die Wicken schmeißt?
Aber wie gesagt: Das war sowieso nicht der Sinn des Müllpfandes, weswegen es ausschließlich für Getränke und hier auch nur für eine gewisse Auswahl gilt. Was auch wieder völlig idiotisch ist, weil es uns dazu zwingt, in vielen zweifelhaften Fällen wie die Vollidioten leere Flaschen zu studieren, ob da nicht vielleicht doch Pfand drauf ist. Denn die Regeln kennt ja kein Mensch und sie sind auch eigentlich viel zu bunt und kompliziert, als dass man sie als Normalbürger auswendig lernen wollen würde.
Und manchmal spielt es ja auch gar keine Rolle, ob irgendwo Pfand drauf ist oder nicht. So wie neulich, als ich ne Einweg-Plastik-Pfandflasche direkt in den Müll werfen musste. Warum? Weil sie leer war und ich unterwegs und die Flasche 1,5 Liter groß war und ich weder Lust noch Gepäck-Kkapazitäten hatte, solchen Ballast mit mir rumzutragen. Normalerweise stelle ich solche Flaschen dann irgendwo hin, damit sich jemand anderes über meine 25 weggeworfen Cent (über die ich mich trotzdem jedes Mal tierisch ärgere!) freuen kann. Aber nicht, wenn es dermaßen windig ist, dass das Ding sofort sonstwohin fliegt. Ohne Scheiß: Ich hab laut geflucht, als ich sie im Mülleimer versenkt habe!
Dieser „Pfandschlupf“ beträgt bis heute etwa 5%. Unter 100 zwangsweise bepfandeten Abfällen sind also fünf, die im normalen Müll oder sonstwo landen. 1,25 Euro Gewinn für den Handel, alle 100 Pfandverpackungen.
Und auch wenn der Sinn dieses Pfandes ursprünglich die Steigerung der Mehrwegquote sein sollte, hat es genau das Gegenteil bewirkt! Wir erinnern uns: 72% betrug der Mehrweganteil Ende der 1990er Jahre, als das Müllpfand beschlossen wurde. Inzwischen sind wir bei 44% angekommen. Well done, DJ Dosenpfand! Die Grünen – ausgerechnet – fordern übrigens aus diesem Grund mittlerweile eine Steuer auf Einwegverpackungen. Was auch sonst.
Und meine These seit langem ist, dass wir dort nicht trotz, sondern insbesondere wegen des Dosenpfandes angekommen sind. Denn das erzwungene Pfand auf Müll mag viele gewollte oder ungewollte Folgen haben, eines bewirkt es aber auf jeden Fall: Dass die Leute keinen Unterschied mehr sehen zwischen – angeblich umweltfreundlichem – Mehrweg und – angeblich bösem – Einweg. Vielen dürfte nicht einmal klar sein, dass das Einwegpfand tatsächlich Pfand auch Müll ist und diese Verpackung gar nicht wiederverwendet wird, obwohl das Pfand genau das suggeriert.
Das denkt man allerdings auch nur bis zu der Sekunde, in der man seine leere Mineralwasserflasche, die man nun über Tage oder Wochen in der eigenen Wohnung aufbewahrt hat, um sie extra zurück zum Laden zu fahren, in den Automaten steckt, der dann sogleich dieses uns Kunden gnadenlos verhöhnende Geräusch macht, dass uns signalisiert. dass die Flasche nun erfolgreich zerstört worden ist. Was, um es noch etwas absurder zu machen, auch nur dann geht, wenn die Flasche möglichst unversehrt ist. Wehe, man hat sie vorher schon selber etwas zerdrückt! Dann spuckt der Automat sie wieder aus, denn er will unversehrten Müll, denn er ist hier der Boss, er hat hier das Monopol aufs Zerdrücken…
Es ist so absurd, so ärgerlich!
Neulich erlebte ich im hiesigen Rewe die ultimative Demütigung durch den Pfandautomaten. „Markt akzeptiert Flasche nicht,“ leuchtete es mir auf dem Display entgegenen. An sich kein seltenes Erlebnis, denn die Flaschen sind eben gelegentlich leicht zerdrückt und dann kommen sie raus und man muss sie kurz öffnen und ausbeulen oder so. Ganz normaler Wahnsinn in unserer schönen, neuen Welt. In diesem Fall aber war meine Müllflasche nicht nur in makellosem Zustand, sondern es handelte sich zu allem Überfluss auch noch um eine Flasche der Rewe-Eigenmarke. Und, da ich eigentlich nur immer den gleichen Rewe besuche, wusste ich sogar, dass ich sie exakt dort mal gekauft hatte…
Ich hatte also allen Grund, mich gegenüber diesem Automaten im Recht zu fühlen und probiete es ein weiteres Mal. Ich drehte dabei vorschriftsmäßig das Pfandlogo nach oben, ich machte alles so richtig, wie es nur irgend ging. Und wiederholte den Vorgang fünf, sechs Mal mit der gleichen Flasche. Vergeblich. Am Ende fuhr ich damit zu Edeka, wo der Automat nichts dagegen hatte, sie einzusammeln.
Wir können also festhalten, dass der Grund für das Pfand immer total Banane war, die Ziele dieses Pfandes nicht erfüllt werden, sondern das Gegenteil bewirken. Gleichzeitig wird den Bürgern Umweltbewusstsein dadurch ab-erzogen, dass Einweg und Mehrweg nur noch dann unterscheidbar sind, wenn man sich etwas intensiver mit dem Thema beschäftigt, was aber ja sowieso keiner macht. Und die Krone wird dem Müllpfand noch dadurch aufgesetzt, dass die Läden die Rücknahme teilweise möglichst kundenfeindlich umsetzen und man Automaten bisweilen schamanisch beschwören muss, damit sie bitte, bitte, bitte die untertänigst dargebotene Flasche zurück nehmen mögen…
Was ich statt eines so albernen, nervenden und nicht funktionierenden Pfandsystems einführen würde? Naja, wir finanzieren über Einwegverpackungen dieses ebenfalls ärgerliche aber trotzdem nicht ganz so verkorkste Ding namens Grüner Punkt, das eigentlich den Sinn hatte, Müll zu recyceln. Vielleicht kann man das ja mal so auf die Füße stellen, dass es funkioniert!
Ansonsten wäre ich für die beiden ehrlichen Lösungsansätze in Sachen Müllvermeidung: Entweder, wir ignorieren das Problem, bzw. versuchen es in den Griff zu bekommen, in dem wir eben unseren Müll verbrennen oder anderweitig recyceln.
Oder wir sind einfach mal ganz konsequent und verbieten Einwegverpackungen. Dann aber bitte für jedes Produkt und nicht dieses alberne Flickwerk, bei dem Lapalien wie Plastikstrohhalme und Einkaufstüten zum weltbewegenden Problem erklärt werden, es aber zu jedem Becher Sahne ne unbepfandete Plastikdose plus Aludeckel dazu gibt und vier dünne Scheiben Wurst einzeln in einen Haufen Plastik verpackt werden.
Die Prioritäten, die die sogenannte Umweltpolitik bisweilen setzt, erinnern mich dagegen eher an einen nicht enden wollenden Schildbürgerstreich.
Und jede Minute, die ich vor einem dieser verfluchten Pfandautomaten stehen muss, erinnert mich wieder daran und bringt mich wieder dazu, mich über diese in jeder Hinsicht falsche Bürgerdressur zu ärgern.